Ganz im Süden von Gelsenkirchen ragt die kleine Halde Rheinelbe mit ihrer imposanten Himmelstreppe aus dem Grün der weitläufigen Parklandschaft. Diese Halde war damals eine der ersten, die wir ganz bewusst besucht haben. Aber nicht nur deshalb ist sie bis heute eine unserer Lieblingshalden. Wieso, weshalb, warum wir so gerne hierher kommen, ist leicht zu erklären.
Die Halde Rheinelbe liegt mitten im Ruhrgebiet – allerdings nicht geografisch, weil man da pingelig sein muss. Darüber, wo denn nun genau die Mitte des Ruhrgebietes liegt, gibt es verschiedene Aussagen. Wanne-Eickel meinen die einen, Gelsenkirchen meinen die anderen. Für uns ist es diese Halde, denn sie liegt irgendwie immer im Mittelpunkt unserer Aktivitäten, wenn wir von Herten nach Essen fahren, wenn wir von Duisburg noch kurz in Bochum vorbei schauen oder umgekehrt.
Auch wenn man die Halde mit ihrer Himmelstreppe kaum von Weitem, sondern lediglich von der Hattinger Straße aus sehen kann, anders als beispielsweise den Tetraeder in Bottrop oder das Horizontobservatorium in Herten, ist sie für uns präsent und wir verrenken uns im Vorbeifahren gerne die Köpfe und halten Ausschau nach ihr.
Beides geht hier ganz wunderbar. Die Halde ist mit ihren 40 Metern Höhe und einem wirklich kurzen Fußmarsch schnell erklommen. Zwei Wege führen vom Zugang an der Leithestraße spiralförmig um die Halde herum. Oben angekommen liegt einem das Ruhrgebiet zu Füßen, die Aussicht ist atemberaubend schön.
Aus dem Grün der Revier-Landschaft ragen Halden empor, liefern sich Fördertürme eine Schlacht, die Skyline von Essen kämpft gegen die Skyline von Scholven um den Blickfang. Und während im Norden die Veltins-Arena weit weg erscheint, wird am Fuße der Halde auf dem Platz der SG Wattenscheid 09 von hier oben einsehbar trainiert.
Die Halde ist insgesamt eingebettet in eine große Parklandschaft, so dass man, wenn man Zeit und Lust hat, über Wiesen und durch Wälder spazieren kann. Wir haben uns hier sogar vor einigen Jahren so verlaufen, dass wir die Halde selbst gar nicht mehr gefunden haben und schließlich im Von-Wedelstaedt-Park gelandet sind, wo unsere Kinder dann gar nicht wieder von dem tollen Spielplatz weg wollten.
Wenn wir Zeit haben, spazieren wir auf dem Weg zur Himmelstreppe immer gerne durch den Skulpturenwald. Dieser ist ständig im Wandel. Im Sommer sind die Skulpturen nahezu überwuchert von der Natur, im Winter, wenn alles kahl ist, ist die Kunst erhaben über die Umgebung.
Aber auch wenn man nicht hierher kommt, um Fotos zu machen, lohnt sich ein Ausflug zur Himmelstreppe. Die Himmelstreppe ist das Stonehenge des Ruhrgebiets, ein Moai Gelsenkirchens.
Wir lieben diesen 10 Meter hohen massiven Turm aus riesigen Betonblöcken sehr. Und wie bei vielen anderen Haldenskulpturen, funktionieren auch hier die mit der Zeit entstandenen Graffiti in leuchtenden Farben wunderbar. Das ist eben der Ruhrpott.
Regelmäßig treffen wir hier oben Gelsenkirchener aus dem Rheinelbe-Quartier. Die Älteren erzählen von der Arbeit unter Tage. „Nicht von der Zeche Rheinelbe, die ist ja schon vor dem Krieg dicht gemacht worden,“ berichtet Jürgen (72), einst Bergmann auf Consolidation 3. „1993 bin ich dann nach Ewald/Hugo gekommen, da war ’99 für die meisten von uns Schluss.“ Jürgen winkt zwei Jungs heran, die mit ihren Mountainbikes auf der Halde sind. „Der eine ist mein Enkel, der ist 13. Der andere ist sein Kumpel. Die wohnen auch da unten.“
Auch wir gehen manchmal auf die Halde, um einfach nur dazusitzen. Auf der Halde Rheinelbe ist es immer ganz schön windig – fliegende Haare inklusive. Wenn es heiß ist, ist es hier oben schön kühl. Im Herbst oder Winter kann das aber unangenehm werden und man muss den Schal festbinden und die Mütze tief ins Gesicht ziehen.
Das Dasitzen geht einher mit dem Gucken. Und so sitzen wir dann mit anderen auf den Stufen oder dem Podest der Himmelstreppe zum gemeinsamen Zusammenkneifen der Augen. Denn so sieht man die schöne Landschaft besser. Und wenn wir wieder einmal gefragt werden, warum wir ständig auf die Halden rennen, antworten wir: „Weil es einfach total geil ist!“
[Text und Fotos: Silke König]
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Wir finden den Ruhrpott einfach toll – auch und oft gerade wegen der vielen Klischees und Fördertürme.
Wir schauen nach, wie es sich lebt im Ruhrgebiet zwischen Großstadt und Halde, zwischen Acker und Industriekulisse, zwischen Kunstausstellung und Schrebergarten?
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