Halde Hoheward: Geht’s hinter’m Horizont weiter?

Die Hertener Haldenlandschaft ist mit den Halden Hoppenbruch und Hoheward der Ausflugs-Blockbuster im Ruhrgebiet und unser absoluter Liebling. Die Halde Hoheward mit ihrem Horizontobservatorium ist mit 102 Metern eine der höchsten Halden im Ruhrgebiet und beeindruckt zwischen Zeche Ewald und Drachenbrücke Ruhrstädter und Gäste – und das obwohl die riesigen Stahlbögen nach wie vor abgesperrt sind und gestützt werden müssen.

In unserer Kindheit und Jugend stand die Halde Hoppenbruch quasi direkt vor unserer Nase. Zwischen Recklinghausen-Hochlarmark und Herten-Süd wuchs die Halde kontinuierlich. Auf Zeche Ewald wurde schwer malocht, die Halde war schon immer da. 

Ab den späten 70er Jahren nutzten wir sie zum Rodeln – was natürlich total verboten war – und die Nachbarn führten ihre Hunde auf der Halde Gassi. Die Halde wuchs und wuchs, die viel jüngere Halde Hoheward sogar noch 33 Meter höher. Freunde von uns gingen als Bergmechaniker in die Lehre unter Tage und suchten sich am Tage des Abschlusses einen anderen Job. Das war lange bevor auf Ewald die letzte Schicht gefahren wurde.

Dann kam der Wandel, Herten war schon lange nicht mehr „größte Kohle fördernde Stadt Europas“. Weil wir schon immer irgendwie auf der Halde unterwegs waren, freute es uns umso mehr, als sie dann offiziell für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. Und als das Horizontobservatorium feierlich eröffnet wurde, waren wir natürlich dabei. Es war das Highlight in der gesamten Region, sogar unsere Nachbarn, die Couchpotatoes des Stadtteils, waren da und fanden es toll.

Halde Hoheward in Herten

Heute nennen wir die Halde Hoheward unsere Haushalde.

Sie steht immer noch irgendwie direkt vor unserer Nase und wir auf dem Weg ins restliche Ruhrgebiet immer an ihr vorbei fahren.

Nicht bei jeder Gelegenheit gehen wir auf die Halde, aber vor allem dann, wenn es etwas zu durchdenken geht. Oder wenn sich Wut breit macht. Oder man mit den Kindern mal an die Luft muss. Je nach Anlass gestaltet sich der Aufstieg. Bei aufsteigender Wut rennen wir die Stufen hoch. Meist relativiert sich die Wut schon auf der ersten Aussichtsplattform. Spätestens wenn man oben angekommen ist, ist sie verraucht.

Gehen wir mit den Kindern auf die Halde, gehen wir gemütlich auf den breiten asphaltierten Wegen und nutzen die Blumen und Pflanzen am Wegesrand, um immer wieder stehen zu bleiben. Auch schauen wir noch öfter in die grüne Landschaft, zeigen auf Fördertürme, Schornsteine, Kirchen, Siedlungen, die anderen Halden.

Ansonsten bieten sich die Treppen an. Und wenn es ordentlich in den Oberschenkel zwirbelt, kann man stehen bleiben, sich umsehen und so tun, als würde man die Aussicht genießen.

Seit der Absperrung des Horizontobservatoriums ist die beeindruckende Aussicht das, was die Halde ausmacht. Die nahe Schalkearena, der Tetraeder in Bottrop, die Halde Rungenberg in Gelsenkirchen, das Bergbaumuseum in Bochum – die Kinder sind inzwischen echte Haldenprofis geworden. Aber auch das, was oben auf der Halde passiert, ist immer wieder spannend. 

Man trifft Mountainbiker, die sich bereit machen zur Abfahrt über die schmalen Pfade. Modellflugzeugflieger, die ihre bisweilen riesigen Geräten über der Halde lenken. Drohnenpiloten, die über unseren Köpfen spektakuläre Aufnahmen machen. Jogger, die allein, zu zweit oder in größeren Gruppen mit Trainer ihre Runden drehen. Familien mit Kindern, die, wie wir auch, in die Ferne schauen, Steine sammeln, vor dem Zaun des Horizontobservatoriums stehen und mit dem Kopf schütteln.

Pottleben - Horizontobservatorium auf der Halde Hoheward

Und dann gab es diesen einen Tag im Juni 2018. Das Wetter sah eigentlich gar nicht nach einem Haldenbesuch aus. Als wir auf dem Parkplatz an der Zeche Ewald losgehen, fängt es gerade leicht an zu regnen. Auf der ersten Plattform sind wir schon nass bis auf die Unterhose. Umkehren kommt nicht in Frage, wir gehen weiter. Als wir oben sind, hört der Regen auf. 

Wir laufen auf das Horizontobservatorium auf. Die Wolken verziehen sich langsam. Wir laufen unsere obligatorische Runde um das Horizontobservatorium, heben unsere Kamera über den Zaun, um die gigantischen Bögen der Skulptur ohne Gitter ablichten zu können. Eine Spaziergängerin beobachtet uns und schmunzelt. Wir stellen uns an wie alle anderen, die hier oben Fotos machen.

Als wir das abgesperrte Horizontobservatorium fast schon komplett umrundet haben, stehen wir vor einem niedergerissenen Zaunstück. Wir staunen. Schauen uns um. Kein Mensch mehr weit und breit. Wir sind mutig und machen – irgendwie geduckt – einen Schritt nach vorn, über den am Boden liegenden Zaun. Ein bisschen verboten fühlt es sich schon an, aber es ist für eine gute Sache.

Pottleben - Horizontobservatorium auf der Halde Hoheward

Pottleben - Horizontobservatorium
Am Rand der runden Plattform knien wir uns hin. Auf der gesamten Fläche wachsen Pflänzchen und Pflanzen durch die Fugen der Steine. Im Guckloch einer der sogenannten Peilmarken hat sich eine kleine Spinne häuslich eingerichtet. Es scheint, als würde dieses Areal in den nächsten Jahrzehnten auch keine Besucher beeindrucken wollen. Die Natur kehrt zurück, der Haldenfreund steht vor dem Zaun.


[Text und Fotos: Silke König]

4 Antworten

  1. Du solltest mal lesen, wie schön die Landschaft vor 80 Jahren unter der heutigen Halde ausgesehen hat!
    Steht in meinem Buch.

    Franz Ernst Poltmann
    Von vielen Erinnerungen . . . eine ist zum Leben erwacht
    Kindheit in Herten, Hohewardstrasse 1934 – 1947

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