„Wie wir leben.“
Der Begriff „Nest“ weckt so manche Assoziationen: das heimische Sofa, das Eigenheim mit Garten oder der umgebaute Bulli, mit dem es um die Welt geht. Inga geht mit ihrem neuen NEST Magazin auf die Suche nach den Nestern. Sie zeigt jenseits von „Schöner Wohnen“, wie Menschen sich ihr Zuhause schaffen und dabei so leben, wie es zu ihnen passt. Wir haben die Herausgeberin und Multitalent Inga in Bochum getroffen.
Bei draußen ungemütlichem Herbstwetter sitzen wir im warmen Café Ferdinand und überlegen, ob wir auch Kuchen bestellen sollen. Aber erst einmal quatschen wir drauf los – Inga hat so viel zu erzählen und wir haben ganz viele Fragen. Auf dem Tisch liegt die erste Ausgabe des NEST Magazins und wir blättern uns fasziniert durch die vielen Geschichten von Menschen und ihren Nestern.
Vor mittlerweile fünf Jahren habe ich begonnen, NEST-Geschichten auf einem Blog zu veröffentlichen. Manche Geschichten stammten von mir, viele von den Protagonisten selbst. Es waren ganz unterschiedliche Beiträge fernab von „Schöner Wohnen“. Mir ging es darum, wie Menschen wirklich wohnen und leben, wie sie sich ihr Zuhause schaffen, was ihnen wichtig ist. Der Fokus lag dabei auch immer schon auf alternativen Wohn- und Lebenskonzepten.
Vorbilder gibt es in dem Sinne nicht. Zwar habe ich seit meiner Jugend hunderte von Wohnzeitschriften gehortet und bis jetzt konnte ich mich immer noch nicht von ihnen trennen, doch stellte ich irgendwann fest, dass all diese Zeitschriften nicht das ansprachen, was mich wirklich interessierte: das echte Wohnen, ungeschminkt und pur.
Ich bin sehr dankbar, dass so viele tolle Menschen geholfen haben, die erste gedruckte Ausgabe des NEST Magazins zu realisieren. Die Kontakte zu einigen Protagonisten bestanden noch aus der Zeit des NEST-Blogs.
Fenja, zum Beispiel, eine junge Frau aus den Niederlanden, hat bereits vor Jahren eine Geschichte für den Blog geschrieben. Damals ging es um ihre Reise mit einem VW-Bulli durch Südamerika. Für das gedruckte Heft hat sie über ihr Leben in einer Höhlen in Marokko geschrieben.
Auch Calanne und Geert, die im Heft über ihr minimalistisches, nomadisches „Mobiation Project“ berichten, habe ich bereits vor Jahren in Amsterdam kennengelernt.
Doch natürlich wurden auch neue Kontakte geknüpft. Meist ergeben sich neue Themen und Geschichten, während ich nach etwas ganz anderem suche. Dafür gibt es keine Strategie, es muss sich einfach ergeben.
Im Magazin wird es immer aber auch um Menschen gehen, die sich ihr Wohnen und Leben nicht aussuchen können. In der ersten Ausgaben stellen wir fünf Menschen aus Monrovia und ihren Blick auf das Leben in ihrer Stadt vor.
Absolut. Ich mache ja jetzt noch alles selbst und jeder Cent ist in das Magazin geflossen. Als Herausgeberin ist da natürlich die Themenrecherche. Einige Beiträge schreibe ich selbst und auch das Grafikdesign habe ich für die erste Ausgabe noch übernommen. Auch Marketing und Vertrieb liegen zurzeit bei mir.
Ich mache das alles gerne. Man macht so viele verschiedene Dinge. Morgens Akquise, nachmittags Etiketten kleben oder Rechnungen schreiben. Die Vergütung der Arbeitszeit ist dabei illusorisch. Als Gründer hast du nur Ausgaben – und du weißt erst einmal nicht, ob’s funktioniert.
Jetzt geht es darum, dass das Heft in die Welt kommt, damit die zweite Ausgabe auf die Beine gestellt werden kann. Langfristig will ich ein festes Team aus Fotografen und Schreibern aufbauen.
Im Großen und Ganzen leben wir in einem Sammelsurium von Altem und Selbstgebautem: Mein Kinderzimmerregal dient immer noch als Kleiderschrank, mein altes, verstimmtes, aber sehr geliebtes Klavier wird mich vermutlich für den Rest meines Lebens begleiten.
Unsere Küche ist ein skurriler Mix aus einem alten Postsortierregal, einem Waschbecken wie wir es vermutlich alle noch aus den Chemieräumen an der Schule kennen und einer Wurmloch durchzogenen, riesengroßen Holzkommode, auf die wir ein Kochfeld montiert haben.
Ich mag es, Altes zu verwenden und etwas Neues daraus zu schaffen. Hier wirklich nachhaltig zu leben, ist schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. An den quasi nicht gedämmten Wänden einer Mietwohnung können auch wir nichts ändern.
Für die Zukunft können wir uns unterschiedliche Wohn- und Lebensmodelle vorstellen. Ein Zusammenwohnen mit anderen Familien an einem Fleck inmitten der Natur zum Beispiel. Auch können wir uns vorstellen, über einen längeren Zeitraum fortzugehen. Tief in mir schlummert die Sehnsucht nach einem ruhigen, ländlichen Ort, nach einem kleinen und verwunschenen Häuschen in Schottland.
Tatsächlich stamme ich ursprünglich aus dieser Gegend. Ich bin in Dorsten aufgewachsen und hätte mir nie träumen lassen, dass ich nach meinem Kunstgeschichtsstudium in Marburg und Leipzig und einem kurzen Abstecher nach Aachen wieder zurück in diese Region komme. Denn damals wollte ich einfach nur weg. Raus aus der kleinen Stadt.
Doch ich bin hier aufgewachsen, ein Großteil meiner Familie lebt in der Region, mittlerweile auch viele Freunde und Bekannte. Doch wenn man einige Jahre an anderen Orten gelebt hat, stellt man fest, dass sich der Freundeskreis nicht mehr nur an dem Ort befindet, an dem man derzeit lebt, sondern dass sehr gute Freunde leider weit von uns entfernt wohnen, über ganz Deutschland verteilt oder auch in der Schweiz und in Spanien.
Auch wir werden wohl zwischendurch wieder unsere Koffer packen und mit unseren beiden Zwillingsmädchen auf die Reise gehen. Sie sind noch klein und wir tasten uns langsam an dieses neue Lebensgefühl heran, mit ihnen zusammen auch einmal längere Zeit fort zu sein.
Begonnen haben wir in diesem Sommer damit, dass wir zusammen einen Monat auf Bornholm verbracht haben. Während ich für Reportagen auf der ganzen Insel unterwegs war, haben mein Partner und die Mädels die Campingplätze unsicher gemacht. Die Kombination aus Reisen, Familie und Arbeiten funktioniert für uns bis jetzt gut.
Die Vertrautheit, die kulturellen Angebote, die verschiedenen Städte ohne das Gefühl zu haben, in einer Großstadt zu leben.
Liebe Inga, vielen lieben Dank für das ausführliche Interview und viel Erfolg mit deinem NEST Magazin.
Blogmagazin aus dem Ruhrgebiet
Wir finden den Ruhrpott einfach toll – auch und oft gerade wegen der vielen Klischees und Fördertürme.
Wir schauen nach, wie es sich lebt im Ruhrgebiet zwischen Großstadt und Halde, zwischen Acker und Industriekulisse, zwischen Kunstausstellung und Schrebergarten?
© Pottleben, 2024
Eine Antwort
Wow, gerade erst entdeckt. Das klingt total spannend und sieht auch richtig toll aus. Werde ich mir bestellen!