Sobald in Gelsenkirchen die Sonne scheint kommen sie, die Familien, Radfahrer, Spaziergänger, Hundebesitzer, Jogger, Kletterer, Picknicker, Ausflügler und Musikfans. Und sie alle suchen Erholung, Freizeit oder Livemusik am Rhein-Herne-Kanal. Und: Der Nordsternpark ist mit seinem Anleger am Amphitheater Ausgangspunkt für Schiffstouren.
Eine Familie fährt auf Fahrrädern direkt am Wasser entlang. Ein junges Paar sitzt auf den Steinen am Kanal und schaut dem vorüberziehenden Frachter nach. Eine Gruppe Kletterer macht sich auf, einen Felsen zu erobern. Touristen liegen auf einer Wiese und bestaunen quadratische Bäume.
Wie beinahe überall im Ruhrgebiet, beginnt die Geschichte des Nordsternparks mit einer Stilllegung, nämlich mit der letzten Grubenfahrt auf der Zeche Nordstern im Jahr 1993. Nur vier Jahre später war das Gebiet um die ehemalige Zeche herum kaum wiederzuerkennen: die Bundesgartenschau war Publikumsmagnet, die den Grundstein für den heutigen Park legte.
In den letzten fünfzehn Jahren hat sich hier alles verändert. Gearbeitet wird immer noch, doch nicht unter Tage, sondern in modernen Büros der anspruchsvoll ausgebauten Gewerbeflächen. Doch man wäre nicht im Ruhrgebiet, wenn die Geschichte des Bergbaus nicht auch neben dem imposanten Förderturm noch lebendig wäre und so erfahren Kinder- und Erwachsenengruppen in dem 1997 von Lehrlingen des Bergwerks HUGO/Consolidation angelegten Bergbaustollen eine Menge über die harte Arbeit und das schwarze Gold.
Im Nordsternpark lohnt es sich die offiziellen Wege zu verlassen. Die Natur hat sich hier und dort ihren Raum zurückerobert, wie es im Ruhrgebiet stets so schön heißt, wenn es um die inzwischen umgenutzten und zu Denkmälern erhobenen ehemaligen Industrieorte geht. Doch auch dieser Wildwuchs ist bloße Gestaltung durch Unterlassung.
Direkter hingegen wurde eine ehemalige Hafenmauer mit bunten und wirklich sehenswerten Graffiti bearbeitet. Seit 2005 treffen sich hier regelmäßig und ganz legal anerkannte Künstler mit ihren Spraydosen und führen ihr Kunstwerk, das inzwischen zur Hall of Fame stilisiert wurde, weiter.
Dann steigt der imposante Kohlebunker empor, durchbricht die Idylle und fügt sich zugleich in die akkurat gestaltete Parklandschaft ein. Geht man um diesen Koloss herum, entdeckt man wunderschöne Ansichten aus der industriellen Vergangenheit des Ruhrgebiets.
Natürlicher Wildwuchs und gepflegte Rasenflächen wechseln sich ab. Dann wird es anstrengend, wenn man den Ehrgeiz entwickelt, diesen merkwürdigen Berg hinaufzugehen. Und bald versteht man, dass man mitten im Ruhrpott eine Pyramide bezwungen hat.
Zurück in Richtung Amphitheater kommen wir an der Anlegestelle für Ausflugsschiffe vorbei. Verschiedene Linien erschließen von hier aus das dichteste Wasserstraßennetz Deutschlands. So fährt beispielsweise das Schiff Friedrich der Große immer samstags zum Stadthafen in Recklinghausen, die Santa Monica macht auf ihrer 4 Schleusen-Tour durch das Ruhrgebiet Halt im Nordsternpark und wenn im benachbarten Herne die Cranger Kirmes tobt, kommt sogar die Weiße Flotte Baldeney hier vorbei. In den Sommermonaten heißt es an den Wochenenden also stets „Leinen los“.
Wer lieber in Gelsenkirchen bleibt und seinen Kindern eine Freude machen möchte, sollte den Kanal überqueren und die südliche Parkseite entdecken. Bei heißen Temperaturen herrscht nämlich Ausnahmesituation im Kinderland, wo ein riesiger und wirklich toller Wasserspielplatz, eine Großrutsche, eine Wippe, Kletterpyramiden und Sandkästen auf die abenteuerlustigen kleinen Nordsternparkfans warten.
Hier stehen nicht nur die ganz Kleinen schnell bis zu den Knien in der Pampe. Auch die größeren Kinder haben ihren Spaß am Matschen und bedienen gekonnt die Wasserpumpe, buddeln Gräben und Kanäle. Die Eltern machen es sich in der Zeit auf der Wiese gemütlich. Verpflegung für Groß und Klein gibt es hier direkt beim Ziegenmichel.
Der Weg zurück zum Auto führt uns dann noch einmal über die große und weit über das Ruhrgebiet bekannte und zum Symbol von Gelsenkirchen gewordene Doppelbogenbrücke. Hier bleiben wir wie viele der Spaziergänger und Radfahrer noch einmal stehen, schauen auf den Kanal. Ein großer Containerfrachter schippert vorbei in Richtung Oberhausen. Im Amphitheater steigt später ein Festival, eine Band macht Soundcheck.
Wir finden: Bekannt wie ein bunter Hund, ist der Nordsternpark mit seinem vielfältigen Angebot auch immer noch ein Geheimtipp. Hier sind vor allem Gelsenkirchener Familien oder sehr gut vorbereitete Profi-Ausflügler unterwegs.
[Text und Fotos: Silke König]
Blogmagazin aus dem Ruhrgebiet
Wir finden den Ruhrpott einfach toll – auch und oft gerade wegen der vielen Klischees und Fördertürme.
Wir schauen nach, wie es sich lebt im Ruhrgebiet zwischen Großstadt und Halde, zwischen Acker und Industriekulisse, zwischen Kunstausstellung und Schrebergarten?
© Pottleben, 2024